[Books] Nicky Singer - Davor und Danach: Überleben ist nicht genug

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Über das Buch

Titel: Davor und Danach - Überleben ist nicht genug | 
Originaltitel: The survival game | Autor: Nicky Singer | 
Übersetzer: Birgit Salzmann | Verlag: Dressler | 

Preis: 19,00€ | Genre: Drama | Format: Paperback | Seitenanzahl: 380 | 

ISBN: 978-3-7915-0100-0 | Original Erscheinungsdatum: 2018 | Deutsches Erscheinungsdatum: 2019 |

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Was zählt, wenn du alles verloren hast? Mhairi hat nichts mehr, nur noch einen Revolver ohne Patronen, ihren Ausweis und ihren Instinkt. Ihr einziges Ziel ist es, am Leben zu bleiben in einer Welt, in der es nicht mehr genug für alle gibt. Doch dann trifft sie auf ihrer Reise einen namenlosen Jungen - und sie stellt fest, dass Überleben manchmal nicht genug ist.
         

Erster Satz

"Ich höre sie, bevor ich sie sehe."

Autor

"Nicky Singers Karriere begann in der Schule, als sie für eine ihrer Geschichten einen Schokoriegel gewann. Leicht verdienter Lohn, dachte sie damals, das mache ich wieder... Inzwischen ist sie Autorin zahlreicher Bücher für Kinder und Erwachsene, Romanen wie Sachliteratur, außerdem schreibt sie Theaterstücke. Sie erhielt bereits mehrere Auszeichnungen. Mit ihrem ersten Jugendroman Feather Boy (dt. unter dem Titel Norbert Nobody 2002 bei dtv erschienen) gewann sie den Blue Peter Book Award der BBC, ihr Kinderbuch Island wurde 2017 für die renommierte Carnegie Medal nominiert. Nicky Singer hat drei (inzwischen ziemlich erwachsene) Kinder. Sie lebt mit ihrem Mann in Brighton, hat aber jedes Mal das Gefühl, nach Hause zu kommen, wenn sie die Grenze nach Schottland überquert, der Heimat ihrer Großeltern. Mit Schokoriegeln wird sie heute leider nicht mehr bezahlt."

Cover und Titel

Das Cover hat zwei Seiten: eine helle und eine dunkle. Im Vordergrund stehen jedoch immer die leuchtenden Silhouetten eines Mädchens und eines kleinen Jungens, umgeben von golden-leuchtenden Punkten. Das Cover ist wunderschön, macht neugierig und ist auf jeden Fall etwas ganz besonderes. Auch passt es, ebenso wie der Titel, gut zum Inhalt.

Meine Meinung

Mhairi ist auf dem Weg vom Sudan nach Schottland zu ihrer Großmutter. Doch dieser Weg ist beschwerlich, denn die Welt ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Das Klima ist südlich des Äquators viel zu heiß, um zu überleben, es gibt zu viele Menschen und zu wenig Lebensmittel und zu wenig Platz. Und dennoch begeben sich Scharen von Menschen auf den beschwerlichen Weg in den Norden, denn das ist ihre einzige Überlebenschance. Und Mhairi ist eine von ihnen. Die 14-jährige hat bereits viel erlebt und als sie einen namenlosen, stummen Jungen in der Wüste trifft, will sie ihn am liebsten gleich wieder loswerden. Doch er lässt sich nicht abwimmeln. Und irgendwann wird Mhairi klar, dass es vielleicht um mehr als das blanke Überleben geht..

„Träume kommen ohne Vorwarnung. Träume schreien durch die verschlossenen Tore in Festung. Träume springen über Mauern. Träume finden den passenden Schlüssel für das letzte Schloss im Turm. Jede Nacht kämpfe ich mit Träumen. Manchmal rauben mir Träume sogar den Mut, zu schlafen."
S. 31

Eines vorneweg: Dieses Buch ist nicht schön. Es ist dramatisch. Traurig. Erschreckend. Und wahnsinnig berührend. Es bringt einen zum Weinen, ab und zu auch zum Lachen und auf jeden Fall zum Nachdenken und Reflektieren. Eine tiefgreifende Geschichte rund um den Klimawandel, Flüchtlinge, Politik, Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Freundschaft, Vorurteile und das Überleben. 

„Manchmal ist es gut, zu weinen. Es bedeutet, dass deine Gefühle dich noch nicht alle verlassen haben."
S. 84

Der Schreibstil der Autorin ist angenehm zu lesen, anfangs aufgrund der abgehackten Sätze aber auch etwas gewöhnungsbedürftig. Etwas irritiert hat mich am Anfang auch die "Festung". Ein Wort, dass plötzlich mitten im Satz steht. Doch schnell war mir klar, dass das Mhairis Strategie ist, alles wegzuschließen, von dem sie nicht reden und über das sie nicht nachdenken will. Das alles wird in die Festung eingeschlossen. Dadurch wird das Buch nie allzu explizit, wenn es um die schrecklichen Ereignissen auf ihrer Flucht geht. Zwischen den Zeilen kann man jedoch lesen, was geschehen ist, und worüber Mhairi nicht reden will. 

„Zu Hause ist nicht nur da, wo du geboren bist. Zu Hause ist da, wo du dir Erinnerungen schaffst."
S. 267

Die Geschichte wird aus Mhairis Sicht erzählt, dadurch bekommt man einen guten Einblick in ihre Gedankenwelt. Sie ist ein sehr interessanter Charakter, auf der einen Seite noch fast ein Kind, manchmal etwas naiv, auf der anderen Seite viel zu erwachsen. Denn sie hat Dinge erlebt, die niemand erleben sollte und das hat sie viel zu früh erwachsen werden lassen. Sie trifft Entscheidungen, die man vielleicht auf den ersten Blick nicht nachvollziehen kann, die man dann aber doch überdenkt, wenn man merkt, in was für einer Welt sie lebt. Auch die Beziehung zwischen Mhairi und dem stummen Jungen ist absolut berührend, und das, obwohl er kein Wort mit ihr spricht und sie nicht einmal seinen Namen kennt. 

„Wie soll man nur wissen, was ein anderer Mensch will? Es ist doch schon schwer genug, zu wissen, was man selbst will."
S. 292

Ein Buch, das erschreckend real ist - und erschreckend real werden kann. Die zeitaktuellen Parallelen sind nicht zu übersehen und lassen einen durchaus mit Angst in die eigene Zukunft blicken. Was wird geschehen, wenn wir nicht endlich anfangen, uns um die Umwelt und das Klima zu kümmern? Wo werden wir in 20, 30, 40 oder 50 Jahren sein? Wie wird unsere Welt aussehen? Werden wir bessere oder schlechtere Entscheidungen treffen als die Menschen in Mhairis Welt? Ein wahnsinnig wichtiges Buch, das einem vor Augen hält, warum wir uns endlich darum kümmern sollten, dass wir und unsere Kinder eine Zukunft auf dieser Erde haben.  

„Ich bin am Leben geblieben, während andere starben, doch inzwischen weiß ich, dass am Leben bleiben nicht genug ist. Nicht das Einzige, was zählt. Es kommt darauf an, wie du am Leben bleibst. Was du tust - oder nicht tust - um am Leben zu bleiben. Was du riskierst und was du opferst."
S. 357

Fazit

Davor und Danach beschäftigt einen. Während dem Lesen und ganz besonders danach. Es ist kein Buch, das man so kurz zwischendurch lesen kann, weil man sich entspannen will. Es ist ein Buch, das einem knallhart die Realität vor Augen führt, einen zum Nachdenken anregt, zum Reflektieren der eigenen Handlungen und eine düstere Zukunftsvision zeichnet. Es verängstigt, ist traurig und dramatisch, aber auch unglaublich berührend, tiefgreifend und ergreifend. Ein Buch, das einen nicht mehr loslässt und von jedem gelesen werden sollte!