Wie bereits angekündigt habe ich das neu erschienene Buch von Jodi Picoult names Solange du bei uns bist gelesen. Ich bin ein großer Fan von Jodi Picoult und ihre Bücher können mich eigentlich immer überzeugen. Nicht alle sind so gut wie Beim Leben meiner Schwester oder 19 Minuten, aber auch die anderen Bücher von ihr gefallen mir sehr gut.
allgemein
Titel: Solange du bei uns bist
Originaltitel: Lone Wolf
Autor: Jodi Picoult
Verlag: Lübbe
Preis: 22,99€
Genre: Roman
Format: Gebunden
Seitenanzahl: 464
ISBN: 978-3-785725023
Original Erscheinungsdatum: 2012
Deutsches Erscheinungsdatum: 16. Mai 2014
kurzbeschreibung
"Wer darf über Leben und Tod entscheiden? Edward Warren hat keinen Kontakt mehr zu seiner Familie, seit er wegen eines heftigen Streits nach Thailand ausgewandert ist. Eine schreckliche Nachricht führt in zurück in die USA: Sein Vater liegt nach einem Unfall im Koma, die Chancen auf Genesung sind minimal. Während seine Schwester Cara auf ein Wunder hofft, will Edward den Vater sterben lassen und seine Organe spenden. Wird er von Nächstenliebe oder von Rachegedanken angetrieben? Und wie weit wird Cara gehen, um das Leben ihres Vaters zu erhalten?"
zum autor
"Jodi Picoult, geboren 1967 auf Long Island, lebt nach ihrem Studium in Princeton und Harvard zusammen mit ihrem Mann und drei Kindern in Hanover, New Hampshire. 1992 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, 2003 wurde sie für ihre Werke mit dem National England Book Award ausgezeichnet. Sie gehört zu den erfolgreichsten amerikanischen Erzählerinnen weltweit. All ihrel etzten Romane standen in den USA auf Platz 1 der Bestsellerlisten. Besuchen Sie die Homepage der Autorin: www.jodipicoult.com."
cover und titel
Das Cover ist wirklich wunderschön, allerdings passt es nicht wirklich zum Inhalt des Buches, immerhin geht es hauptsächlich um einen Mann und seine Wölfe und um eine Familie, die sich uneins ist. Auf den deutschen Übersetzungen von Jodi Picoults Büchern sind immer Fotos von Frauen zu sehen. Warum eigentlich nie Männer? Wär doch mal eine Abwechslung ...
Das "innere Cover" gefällt mir jedoch ausgesprochen gut, man sieht einen dichten Wald.
Der Originaltitel lautet Lone Wolf - und dieser Titel passt einfach perfekt. Solange du bei uns bist hat mit dem Originaltitel nichts mehr zu tun, dennoch finde ich den Titel ebenfalls passend, denn im Buch geht es letztlich um die Frage, wie lange ein Mensch lebt und eben wie lange er bei uns ist.
erster satz
"Vielleicht hätte ich damals den Tiger nicht befreien sollen."
charaktere
Luke Warren: Er erforscht das Verhalten von Wölfen auf eher unkonventionelle Weise: er lebt mitten unter ihnen. Dafür verlässt er sogar seine Frau und seine beiden Kinder, Edward und Cara. Die Wölfe - seine tierische Familie - scheinen ihm wichtiger zu sein als seine menschliche Familie. Eines Abends hat er mit Cara einen Autounfall und fällt schwer verletzt ins Koma. Seine Tochter will ihn am Leben erhalten um ihm die Chance auf - sehr unwahrscheinliche - Genesung zu geben, seit Sohn Edward hingegen, mit dem er seit 6 Jahren keinen Kontakt mehr hatte, möchte die lebenserhaltenden Maßnahmen abschalten und die Organe spenden. Zwischen den Kapiteln von Cara, Edward oder ihrer Mutter gibt es immer wieder Kapitel von Luke, die aus seiner Vergangenheit - hauptsächlich mit den Wölfen - erzählen. Man erfährt in diesen Kapiteln sehr viel von Wölfen, aber mit Luke Warrens Figur konnte ich mich nicht wirklich anfreunden. Dass er so eine Leidenschaft für Wölfe hat finde ich toll und auch sehr interessant, aber dass man dafür seine Frau und seine Kinder im Stich lässt? 2 Jahre einfach aus ihrem Leben verschwindet, ohne dass seine Kinder wissen, ob ihr Vater überhaupt noch am Leben ist? Das ist für mich irgendwie nicht nachvollziehbar und sehr unverständlich. Ein paar Wochen oder Monate - okay. Aber Jahre??? Da bin ich wirklich froh, dass ich meinen Dad als Vater habe ...
Cara Warren: Die 17-jährige Tochter von Luke. Scheint mir teilweise sehr naiv zu sein. Sie liebt ihren Vater abgöttisch und ist beinahe besessen davon, ihn zu retten. Sie ist überzeugt davon, dass ihr Vater wieder gesund werden wird, auch wenn der Rest der Welt ihr etwas anderes erzählt. Erst am Ende des Buches erfährt man auch die genaue Geschichte, warum sie sich so an das Leben ihres Vaters klammert. Ich konnte mich mit Cara nie ganz identifizieren, was aber vielleicht auch daran lag, dass ich anderer Meinung bin als sie hinsichtlich der lebenserhaltenden Maßnahmen.
Edward Warren: Nach einem Streit mit seinem Vater verschwindet er ohne ein Wort nach Thailand. Die Familie zerbricht und Cara gibt ihrem Bruder die Schuld daran. Erst nach 6 Jahren kehrt er zurück nach Amerika und das auch nur, weil sein Vater und Cara einen Autounfall hatten. Auch er ist mir nur teilweise sympathisch, genauso wie Cara. Denn auch er hat einfach so seine Familie im Stich gelassen, wie sein Vater. Selbst wenn er überzeugt davon war, das richtige zu tun: Man verlässt nicht einfach die Familie ohne sich auch nur zu verabschieden. Vor allem nicht die Mutter, die einem nichts getan hat. Dass er den Vater verlassen hat: in Ordnung. Aber womit hat seine Mutter das verdient?...
zitate
"Mit anderen Worten: Was uns vielleicht grausam und herzlos erscheint, dient in Wahrheit dem Schutz der Familie."
S. 213
"Der ranghöchste Wolf in einem Rudel ist nicht der brutalste. Es ist derjenige, der Gewalt ausüben kann, sich jedoch entscheidet, es nicht zu tun."
S. 303
"Was macht eine Familie wirklich aus? Muss alles perfekt sein, oder ist es nicht wichtiger, dass auch mal was schiefgeht und man den Menschen, die man liebt, eine zweite Chance gibt?"
S. 391
inhalt
Jodi Picoult ist bekannt für ihre schwierigen Themen. Mal schreibt sie über das Leben nach einem Schulmassaker (19 Minuten), mal über ein junges Mädchen mit Krebs (Beim Leben meiner Schwester) oder einen Jungen mit dem Asperger Syndrom (In den Augen der Anderen). Ihre Bücher sind immer emotional berührend und man stellt sich grundsätzlich die Frage: "Was würde ich tun???". So ist es auch hier.
Was macht man, wenn man sich entscheiden muss, ob man die lebenserhaltenden Maßnahmen bei einem Menschen den man liebt anlässt oder abschaltet? Wann ist ein Mensch wirklich tot? Wer oder was gibt uns das Recht über Leben oder Tod zu entscheiden? Gibt es Wunder? Vermutlich gibt es genauso viele Zweifel, Wünsche, Hoffnungen und Ungereimtheiten, wie es Menschen gibt. Und genau das macht es noch schwerer. Denn was ist, wenn es doch noch Hoffnung gibt? Wenn es in einigen Jahren eine Heilung gäbe? Oder ein Wunder?
Das Thema ist sehr heikel und es gibt natürlich viele Meinungen darüber. Ich persönlich habe einen Organspendeausweis und von mir aus können sie alles haben, was sie verwenden können. Und ich möchte auch nicht leben, wenn ich nur durch Maschinen am Leben erhalten werde. Für mich ist Leben, wenn ich reden, lachen, hören, weinen, laufen, tanzen, schreiben, sehen, fühlen kann. Schlichtweg, wenn ich Herr über meine Gedanken bin. Wenn ich mich ausdrücken kann. Nicht wenn ich in einem Bett liege und nichts mehr tun kann. Allerdings bin ich auch der Meinung, dass das jeder für sich selbst entscheiden und dass jedwede Meinung akzeptiert werden sollte. Denn dieses Thema ist sehr persönlich und heikel und diese Entscheidung sollte jeder selbst machen! Dieses Buch zeigt jedoch auch auf, dass das nicht nur einen selbst betrifft, sondern auch die Familie, die man zurück lässt. Denn die ist es, die sich mit dem Tod auseinandersetzen muss. Die darüber entscheiden muss, ob man die Maschinen abstellt oder nicht.
Es gibt mehrere Hinweise, dass Luke Warren ursprünglich keine lebenserhaltenden Maßnahmen wollte. Da es das aber nicht schriftlich gibt, muss seine Familie entscheiden. Und die ist sich ganz und gar nicht einig. Edward möchte die Maschinen abschalten, Cara anlassen. Bei diesem Streit scheint beinahe ihre ganze Familie auseinanderzubrechen. Werden sie es dennoch schaffen? Für was werden sie sich entscheiden?
Die Kapitel sind - typisch Jodi Picoult - aus verschiedenen Sichtweisen erzählt. Die Kapitel von Luke Warren sind teilweise mit Wolfsabdrücken gekennzeichnet. Aber auch Cara, Edward, ihre Mutter und deren neuer Mann und der vom Gericht bestellter Vormund bekommen ihre eigenen Kapitel und können aus ihrer Sicht erzählen. Das gefällt mir wie immer besonders gut und das macht Picoults Bücher auch zu etwas ganz besonderem. Denn so hat man das Gefühl, irgendwie alle Figuren wirklich zu kennen und vor allem auch zu verstehen. Picoults Bücher zeigen einem, dass es nicht immer ein Richtung und ein Falsch, ein Schwarz und ein Weiß gibt. Es gibt so viele Meinungen und Ansichten und hat nicht jede davon ihre Berechtigung? Sind wir es nicht uns und den Menschen in unserem Umfeld schuldig, alle Meinungen zu kennen und zu hinterfragen. Und vielleicht auch anzuerkennen, obwohl man anderer Meinung ist?
fazit
Dieses Buch konnte mich nicht von Anfang an so in den Bann ziehen wie frühere Bücher von Jodi Picoult. Dennoch ist es wie immer emotional berührend und anspruchsvoll. Es ist kein Buch, das man einfach so weglegen kann und dann vergisst. Man macht sich unweigerlich Gedanken über den Tod und das Leben und über lebenserhaltende Maßnahmen. Ich werde mich jetzt hinsetzen und eine Patientenverfügung schreiben :D
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