Samstag, 23. November 2019

[Books] Karen Köhler - Miroloi

[Books] Karen Köhler - Miroloi



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Über das Buch



Titel: Miroloi | Autor: Karen Köhler | Verlag: Hanser 
Preis: 24,00€ Genre: Dystopie, Feminismus Format: Gebunden Seitenanzahl: 463 
ISBN: 978-3-446-26171-6 Original Erscheinungsdatum: 2019 

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Im Schönen Dorf haben Männer das Sagen, dürfen Frauen nicht lesen, lasten Tradition und heiligen Gesetze auf allem. Was passiert an einem solchen Ort, wenn sich eine Außenseiterin gegen alle Regeln stellt? Wenn sie heimlich lesen lernt, den Konjunktiv versteht, Freundschaften und Allianzen schließt, sich verliebt und endlich, endlich einen Namen bekommt? Voller Hingabe, Neugier und Wut auf die Verhältnisse erzählt Miroloi von einer jungen Frau, die in Frage stellt, was ist. Unbändig und feinfühlig zugleich entführt Karen Köhler an einen Ort, der nur in der Literatur existiert und dennoch allgegenwärtig ist. Ein großer Roman, in dem jedes Detail brennt und leuchtet. 
         

Erster Satz


"Eselshure. Schlitzi. Nachgeburt der Hölle. Ich war schon von Anfang an so hässlich, dass meine eigene Mutter mich lieber hier abgelegt hat, statt mich zu behalten."



Autor

"Karen Köhler hat Schauspiel studiert und zwölf Jahre am Theater in ihrem Beruf gearbeitet. Heute lebt sie in Hamburg und schreibt Theaterstücke, Drehbücher und Prosa. Ihre Theaterstücke stehen bei zahlreichen Bühnen auf dem Spielplan, 2014 erschien bei Hanser ihr Erzählband Wir haben Raketen geangelt, für den sie u.a. mit dem Rauriser Literaturpreis ausgezeichnet wurde." 



Cover und Titel

Das Cover ist in wunderschönen aquarellartigen Blautönen gehalten und hat wellenförmige weiße Absetzungen. Ich finde es einzigartig, passend und sehr ästhetisch. Auch der Titel passt sehr gut zum Buch. 



Meine Meinung


Ein Baby wird auf einer Treppe abgelegt. Als Kind ohne Eltern darf sie keinen Namen tragen und als Frau in einer Gesellschaft, die von Männern regiert wird, hat sie keine Rechte. Frauen dürfen nicht lesen, nicht schreiben und sich nicht gegen die Männer auflehnen. Die Männer dürfen nicht singen und nicht kochen. Wer sich nicht beugt, wird an den Pfahl gestellt. Die Strafen beinhalten nicht nur Demütigung, sondern auch schwerste Körperverletzung - oder sogar die Todesstrafe. Die Gemeinschaft lebt auf einer abgeschiedenen Insel, völlig ohne Kontakt zur Außenwelt. Es ist ein Leben mit heiligen Gesetzen und ohne Selbstbestimmung. Doch die junge Frau ohne Namen will sich dem immer weniger beugen: sie lernt heimlich lesen, stellt sich gegen die Regeln und verliebt sich. Doch kann das gut gehen?


„Ist ein Gedanke erst ausgesprochen oder aufgeschrieben, dann ist er in der Welt, dann hast du keine Kontrolle mehr darüber, was er auslöst oder anstößt. Bleibt der Gedanke aber in dir drin oder bloß ein Streifen Stoff an einem Baum und kennt ihn niemand außer dir und den Göttern, dann kann auch niemand ihn benutzen, um dich zu lenken."
S. 320


Der Schreibstil der Autorin ist sehr speziell und man muss sich anfangs sehr daran gewöhnen. Teilweise ist er beinahe poetisch, geprägt von Wortneuerfindungen, an anderen Stellen wirkt er sehr derb und einfach gestrickt, manchmal auch sehr kindisch. Insgesamt gibt es sehr viele Wiederholungen und Aufzählungen, es gibt zum Beispiel ein Kapitel, das nur aus einer Aufzählung der Wörter besteht, die die Protagonistin kennt. Teilweise hat mir der Schreibstil gut gefallen, teilweise fand ich ihn aber auch sehr, sehr anstrengend. 



„Es ist tiefstenachtstill. Keiner traut sich zu atmen, nicht mal die Kinder."
S. 85


Miroloi, das ist der Name für das Totenlied, das jedem Mitglied der Gemeinde nach dem Tod von den Frauen gesungen wird. Da die namenlose junge Frau aber kein Mitglied dieser Gemeinschaft sein darf, schreibt und singt sie sich ihr Miroloi selbst - das Ergebnis ist dieses Buch. Ein Lied in 128 Strophen über ihr Leben, über ihren Mut, sich gegen die Regeln zu stellen, über ihre Angst, über die Unterdrückung, die Schläge, die Gewalt, die Hierarchie, die Männer die alle Regeln aufstellen und über all diejenigen, die sich nicht daran halten. Das Mädchen erzählt von ihrem Leben, ihrer Kindheit, aber auch von ihrem Finder, einem alten Mann, der eigentlich immer gut zu ihr war und ihr viele Freiheiten gelassen und sogar verbotene Dinge beigebracht hat, von Mariah, die wie eine Mutter für sie war und von Sofia, ihrer einzigen Freundin. Sie erzählt von Yael, dem hübschen Betschüler, in den sie sich verliebt, obwohl sie das nicht darf und wie sie nach und nach immer mehr zu sich selbst findet, mehr Freiheiten fordert und gleichzeitig die Freiheiten der Frauen auf der Insel immer weiter eingeschränkt werden. 
Die Story ist düster, bedrückend und berührend. Sie macht wütend und zornig und es gibt nur wenig Schönes. Man leidet mit der Protagonistin mit, die wirklich sehr viel erlebt hat und erleiden muss und man hofft zusammen mit ihr auf ein neues, besseres Leben. Gleichzeitig fragt man sich, ob es so eine Gesellschaft wirklich (immer noch) gibt oder geben könnte und wie viel man selbst ertragen könnte, bevor man sich wehrt. 
Die Story ist einerseits spannend, zieht sich stellenweise aber auch sehr. 



„Die Gesetze regeln wirklich alles. Ab wann die Mädchen das rote Band um die Taille tragen dürfen. Wie sie die Haare tragen sollen. Ab wann sie heiraten und wie viele Kinder sie haben dürfen, nach dem dritten ist Schluss. Der dritte Sohn muss Betmann werden, die dritte Tochter die Eltern versorgen. Bei allem entscheidet der Ältestenrat mit. Auch welcher Mann zu dir passt zum Beispiel. Wie lang unsere Kleider sein müssen auch. Welches Amt zu dir passt, wenn du ein Junge bist. Dass Jungs und Männer Hemd un Hose tragen müssen, nicht kochen und nicht singen dürfen, jedes weibische Verhalten ihnen verboten ist. Die Gesetze stecken in allem drin, in jedem noch so kleinen Fetzen deines Lebens."
S. 87


Schade fand ich zum einen, dass das Ende einen doch recht ratlos zurücklässt - ähnlich wie The Handmaid´s Tale, wobei ich dort das Ende deutlich passender fand als hier. Auch dass nie geklärt wurde, woher das namenlose Mädchen kam, ist seltsam - wie kann es sein, dass in einem Dorf, in dem man absolut NICHTS verheimlichen kann, plötzlich ein Baby auftaucht? Es kann also kaum eine Frau oder ein Mädchen aus dem Schönen Dorf gewesen sein, oder? Aber wie hätte jemand unbemerkt auf die Insel kommen können, um ein Baby dort abzulegen, ohne dass er gesehen wird? Das - und noch ein paar andere Punkte - wirkten auf mich irgendwie unstimmig und ließen mich etwas unbefriedigt zurück.



Fazit


Einerseits eine düstere, beunruhigende und bedrückende Dystopie über eine junge Frau, die sich immer mehr selbstbehauptet und viel erleiden muss, andererseits bleiben auch (zu) viele Fragen offen und die Sprache ist leider oft zu gewollt poetisch und gleichzeitig sehr naiv und einfach und insgesamt doch sehr gewöhnungsbedürftig. Feministische, verzweifelte Literatur über das Patriarchat, die zwar durchaus ihre Schwächen, aber dennoch eine Chance verdient hat! 


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