Samstag, 6. Juli 2019

[Books] Judith Visser - Mein Leben als Sonntagskind

[Books] Judith Visser - Mein Leben als Sonntagskind


*Werbung / Rezensionsexemplar: Das Buch wurde mir kosten- und bedingungslos von HarperCollins zur Verfügung gestellt. Vielen Dank! 


Über das Buch


Titel: Mein Leben als Sonntagskind Originaltitel: Zondagskind Autor: Judith Visser Übersetzer: Barbara Heller | Verlag: HarperCollins 
Preis: 22,00€ Genre: Coming-of-Age, Roman Format: Gebunden Seitenanzahl: 607 
ISBN: 978-3-95967-319-8 Original Erscheinungsdatum: 2018 Deutsches Erscheinungsdatum: 2019 |

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Jasmijn ist ein ganz normales junges Mädchen. Kontaktfreudig und bei allen Mitschülern beliebt. Ein Sonntagskind, dem die Welt offensteht. Doch es gibt einen Haken: So ist sie nur in ihrem Tagebuch. Denn die wahre Jasmijn ist anders. Sie redet nicht. Nur mit ihrer Hündin Senta. Und mit Elvis Presley, mit dessen Postern sie ihr Zimmer tapeziert hat. Denn beide antworten nicht, und das ist gut. Dann muss Jasmijn sich nicht fragen, was gemeint ist. Oder überlegen, was sie antworten soll. Wie schaffen es andere Menschen bloß, dass sie immer wissen, wie sie sich verhalten sollen? Mit Senta und Elvis an ihrer Seite macht sich Jasmijn auf, dieses Geheimnis zu ergründen und ihr Glück zu finden."

        
Erster Satz


"Ein Fußgänger. Verdammt."



Autor


"Judith Visser wurde in Rotterdam geboren. Ihr jüngstes Buch Mein Leben als Sonntagskind, ein autobiographischer Roman über das Erwachsenwerden mit Autismus, stand auf Platz 5 der niederländischen Bestsellerliste und gewann den Hebban Literatuur Clubprijs 2018. Die Autorin lebt in Rockanje am Meer. Sie hat erst im Erwachsenenalter erfahren, dass sie das Asperger-Syndrom hat. Das hat viel erklärt, zum Beispiel warum sie schon mit drei Jahren lesen und schreiben konnte. Und warum sie sich in Gesellschaft von Tieren wohler fühlt als in der von Menschen. Dank ihrer Erfahrungen versteht sie es, die Gefühlswelt eines jungen Mädchens mit Asperger auf wunderbare Weise einzufangen."



Cover und Titel


Der große, weiße Titel sticht auf dem schwarzen Hintergrund sehr hervor, wodurch er sehr einprägsam wird. Das Cover wird verziert von einer Frau auf einem Fahrrad, einem Hund und Blumen. Es wirkt schön, einzigartig und gefällt mir gut. Sowohl Cover als auch Titel passen gut zum Inhalt. 



Meine Meinung


Jasmijn möchte eigentlich ganz normal sein. Doch sie weiß, dass sie anders ist. Denn im Gegensatz zu ihren Mitschülern hat sie Probleme damit, mit anderen zu sprechen - eigentlich spricht sie nur mit ihrer Hündin, ihren Eltern und Großeltern. Fremde Menschen zu treffen, zu telefonieren oder sich an neue Situationen gewöhnen zu müssen, ist ihr ein Graus. Noch schwieriger wird ihr Leben dadurch, dass sie einfach niemanden erklären kann, warum sie so ist, wie sie ist - sie versteht es ja selbst nicht. Doch dadurch finden die meisten Menschen sie seltsam, arrogant oder unfreundlich und Jasmijn würde doch so gerne zeigen, dass so viel in ihr steckt! 



„In der Woche zuvor hatte sie mir erklärt, dass man nicht jede Frage so wörtlich nehmen dürfe. Aber sie hatte nicht dazugesagt, wie man wissen konnte, wann man es doch tun musste."
S. 45


Die Autorin schreibt flüssig, wenn auch sehr ausführlich. Das entspricht allerdings auch der Protagonistin Jasmijn, daher ist es durchaus passend. An manchen Stellen fand ich das Buch dadurch auch etwas langatmig, was jedoch durch die unglaubliche Authentizität ausgeglichen wird. Insgesamt ist das Buch spannend, berührend und ohne Zweifel authentisch.



„Es war nicht schön, wenn jemand böse auf mich war, vor allem, wenn mir hinterher klar wurde, dass ich selbst schuld war.Aber ich merkte nicht, wenn ich jemanden wütend machte. Ich konnte ja nicht gleichzeitig in meinen eigenen Kopf und in den des anderen schauen. Erst später, wenn ich wieder allein war, wenn es um mich herum still war und ich alles noch einmal Revue passieren ließ, sah ich es. Was ich falsch gemacht hatte. Was ich hätte sagen sollen."
S. 139


Jasmijn, die das Asperger-Syndrom - eine Form des Autismus - hat, davon jedoch nichts weiß, hat es nicht einfach. Die Aufwachsen allein ist schon anstrengend genug, doch das Mädchen muss mit vielen Problemen kämpfen, die "normalen" Menschen gar nicht auffallen: Geräusche, die schnell zu laut werden, zu grelles Licht, zu viele Farben, zu viele Menschen - und die Überforderung, die damit einhergeht. All das wird sehr bildhaft und eindrücklich geschildert, sodass man sich wunderbar in die liebenswerte Protagonistin einfühlen kann und jeden - noch so kleinen - Schritt zur Selbstständigkeit feiert. 




„Ich wusste, dass meine Eltern mich liebten, aber wahrscheinlich nur, weil ich zufällig ihr Kind war. Was würden sie von mir halten, wenn ich ein Nachbarkind wäre, das zu lieben sie nicht verpflichtet waren? Ich war nicht der Typ, von dem die Leute sagten: Mein Gott, was für ein hübsches Kind, diese Jasmijn, schaut sie euch an, was für ein süßes Mädchen. Ich war das stille Wesen mit dem durchdringenden Blick, das Kind, das lieber mit seinem Hund zusammen war als mit anderen Menschen. Und das fanden die Leute seltsam. Denn so sollte es nicht sein."
S. 209


In der heutigen Zeit fällt es schwer zu glauben, dass niemand Jasmijns Verhalten so auffällig fand, um es medizinisch abklären zu lassen. Doch in den 80er und 90er Jahren war Autismus kaum bekannt und noch weniger erforscht. Die Eltern erklärten sich das Verhalten ihrer Tochter so, dass sie nun mal eben so sei, die Lehrer gaben auf und fragten nicht nach und die gleichaltrigen Mitschüler*innen stempelten Jasmijn als komisch und seltsam ab und nur wenige von ihnen machten sich überhaupt die Mühe, sie näher kennenzulernen. Die Strategien, die Jasmijn sich angewöhnt, um sich und ihre Gefühle zu schützen, isolieren sie immer mehr und oft genug denkt das Mädchen, dass sie ihr Leben so nicht mehr aushält.
Während des gesamten Buches merkt man, dass die Autorin autobiographisch schreibt und diese Erlebnisse selbst durchmachen musste. Dadurch ist Jasmijns Geschichte authentisch, fesselnd und unglaublich berührend. Eine Geschichte, die einen nicht mehr loslässt und immer wieder in einem nachhallt. 


„Mir scheint, du lebst immer mehr in deiner eigenen Welt."
"In welcher Welt sollte ich sonst leben?"
S. 212



Fazit


Ein Roman, der ins Herz geht, fesselt und einem vor Augen fühlt, wie Menschen mit Autismus ihre Umwelt wahrnehmen und mit was für Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben. Unglaublich berührend, authentisch und einfach wundervoll - eines der besten Bücher, das ich seit langem gelesen habe!



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