Samstag, 2. Mai 2020

[Books] Neal Shusterman - Kompass ohne Norden. Mit den Illustrationen von Brendan Shusterman

[Books] Neal Shusterman - Kompass ohne Norden. Mit den Illustrationen von Brendan Shusterman


*Werbung / Rezensionsexemplar: Das Buch wurde mir kosten- und bedingungslos von Hanser zur Verfügung gestellt. Vielen Dank! 

Über das Buch



Titel: Kompass ohne Norden Originaltitel: Challenger Deep Autor: Neal Shusterman Übersetzer: Ingo Herzke Illustrator: Brendan Shusterman Verlag: Hanser 
Preis: 14,99€ Genre: Roman, Young Adult, Psychische Erkrankung 
Format: eBook Seitenanzahl: 352 
ISBN: 978-3-446-26123-5 Original Erscheinungsdatum: 2015 Deutsches Erscheinungsdatum: 2018 |

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Ähnliche Bücher: Alles. Nichts. Und ganz viel dazwischen. (Ava Reed); Ich und die anderen (Matt Ruff); Morgen bin ich ein Löwe (Arnhild Lauveng)

Caden hält sich für einen normalen Jungen. Doch sein Verstand ist ein krankhafter Lügner, der sich auf fantastische Reisen begibt. Manchmal befindet Caden sich auf dem Weg zum tiefsten Punkt der Erde im Marianengraben, auf einem Schiff, auf dem die Zeit seitlich läuft wie eine Krabbe, verwittert von Millionen Fahrten, die bis in die finstere Vergangenheit zurückreichen. Und in der Realität lässt Cadens Verstand harmlose Dinge wie einen Gartenschlauch zur tödlichen Gefahr werden. Als die Grenze zwischen realer und fantastischer Welt verschwimmt, begreift Caden: In den Tagen der Bibel hätte er vermutlich als Prophet gegolten, doch heute lautet die Diagnose: Schizophrenie.


Erster Satz


Zwei Dinge weißt du. Erstens: Du warst da. Zweitens: Du kannst nicht da gewesen sein."



Autor


"Neal Shusterman ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten amerikanischen Autoren für Kinder und Jugendliche. Er wuchs in Brooklyn auf und begann schon früh mit dem Schreiben. Nach seinem Schulabschluss an der American School of Mexico City studierte er in Kalifornien Psychologie und Theaterwissenschaften. Neal Shusterman lebt mit seiner Familie in Südkalifornien. Kompass ohne Norden basiert auf Shustermans Erfahrungen mit der Shizophrenie seines Sohnes und wurde 2015 mit dem National Book Award ausgezeichnet. www.storyman.com 

Brendan Shustermans Kunst war Inspiration für viele Elemente in Kompass ohne Norden. Er ist angehender Künstler und Autor - dabei tritt er nicht einfach in die Fußstapfen seines Vaters, sondern geht eigene Wege."



Cover und Titel

Das blaue Cover zeigt das Meer, die Wellen - und Caden, der darin zu ertrinken scheint, denn er hängt nur an einer verworrenen Leine, die augenscheinlich nirgends hinführt. Das Cover und auch der Titel passen sehr gut zum Inhalt des Buches, denn auch der Protagonist findet sich immer wieder in den Tiefen des Meeres - bzw. seiner Gedanken - wieder und weiß weder, wo oben noch unten, geschweige denn Norden, ist. 



Meine Meinung


Caden ist ein netter, normaler und freundlicher Junge, der gerne zeichnet und Computerspiele designt. Doch manchmal spielt ihm sein Verstand einen Streich und er kann Realität nicht mehr von Fantasie unterscheiden. Was ist wahr und was nicht? Will dieser Junge in seiner Schule ihn wirklich umbringen? Oder bildet er sich das ein? Sind das im Garten wirklich Schlangen oder einfach nur Gartenschläuche? 



„Was ich fühle, lässt sich nicht in Worte fassen, oder wenn doch, dann in einer Sprache, die niemand versteht."
pos. 104


Der Schreibstil des Autors ist flüssig und einfach zu lesen. Die Geschichte spielt auf zwei Ebenen ab: der Realität von Caden, die anfangs in seiner Familie, später dann in der Psychiatrie stattfindet; und das Schiff, eine Wahnvorstellung, die Caden immer wieder vorspielt, dass er sich mitten auf dem Ozean befindet, zusammen mit einem Kapitän, einem Papagei und vielen anderen eigenartigen Besatzungsmitgliedern. Gerade zu Beginn ist das äußerst verwirrend und ich hatte so meine Probleme, zu verstehen, was diese Szenen bedeuten sollen. Es war abstrakt, unzusammenhängend, scheinbar willkürlich und ohne roten Faden. Mir wurde manchmal beinahe schwindelig vor lauter Verwirrtheit. Es war schwer, dem Ganzen zu folgen und irgendeinen Sinn darin zu sein, gleichzeitig hat es aber auch gut gezeigt, wie es im Kopf von Caden aussieht: ein völliges Wirrwarr an Eindrücken, Empfindungen und Gedanken, die von außen schon beängstigend und verwirrend sind, aber für den Erkrankten selbst ganz besonders. Er kann sich selbst nicht mehr trauen, weiß nicht mehr, was Realität ist und was nicht und verliert irgendwann völlig den Bezug zur echten Welt - das muss ein schreckliches Gefühl sein. Diese Hilflosigkeit und Verwirrung, die Caden empfindet, wenn er auf dem Schiff ist, spiegelt sich in diesen Kapiteln wieder, denn als Leser ist man ebenfalls verwirrt und irgendwie hilflos - man muss durch diese Kapitel durch, hat aber Schwierigkeiten dabei, aufmerksam zu bleiben, verliert immer wieder den Faden und würde manchmal ganz gerne abbrechen und aufhören, denn ab und zu sind die Schiffsszenen eine einzige Qual. Doch dann, nach einer Weile, wird Caden etwas klarer im Kopf, seine Medikamente werden eingestellt und er kann besser zwischen Realität und Wahn unterscheiden. In diesen Momenten werden auch die Szenen auf dem Schiff erstens seltener und zweitens irgendwie klarer. Sinnvoller. Man erkennt Parallelen, Zusammenhänge und auch endlich den lang ersehnten roten Faden - den es eben doch gibt, den man vorher in all dem Wirrwarr nur einfach nicht erkennen konnte. Und auch Caden scheint der Lösung immer näher zu kommen...doch seine Krankheit macht ihm immer wieder einen Strich durch die Rechnung - es ist ein ständiger Kampf mit den inneren Dämonen.



„Die Gedankenstimmen sind durchaus auch unterhaltsam, denn ich weiß nie, was sie sagen werden. Manchmal bringen sie mich zum Lachen, und die Leute fragen sich, worüber ich lache, aber das will ich ihnen nicht verraten."
pos 1346


Man merkt dem Buch sehr deutlich an, dass der Autor Erfahrung mit der Thematik hat und die Zeichnungen, die von seinem Sohn stammen, geben den Kapiteln einen ganz persönlichen Touch. Dass die Erfahrungen von Brendan Shusterman mit in den Roman eingeflossen sind, machen den Roman sehr authentisch. Auch ansonsten ist die Geschichte einfühlsam, aber auch schmerzhaft ehrlich, ergreifend, emotional und zutiefst bewegend erzählt. Das Thema Psychische Erkrankungen ist für mich persönlich sehr wichtig, da ich selbst darunter leide, jedoch, zum Glück, unter einer Erkrankung, die mein Leben nicht so sehr beeinflusst wie das von Caden. Dennoch gibt es auch bei mir Zeiten, in denen ich mehr mit der Krankheit kämpfen muss als sonst. Und auch im 21. Jahrhundert sind psychische Krankheiten oft keine "echte" Krankheiten, sie werden nicht als solche angesehen und sind nur etwas, das man sich einbildet. Deswegen verschweigen viele ihre Erkrankung oder ihre Erfahrungen. Dieses Buch bricht ein solches Schweigen. Es erzählt die fiktive Geschichte von Caden, die jedoch von Shustermans Sohn, der eine shizoaffektive Störung hat, beeinflusst wurde und man erfährt dadurch, wie das Leben mit Schizophrenie aussehen kann (kann, weil jede Erkrankung, auch jede psychische, andere Auswirkungen auf jeden Menschen hat und dementsprechend die Krankheitsbilder völlig verschieden sein können), was man durchmachen muss und dass es, auch wenn es keine Heilung trotzdem Hilfe gibt. Es ist ein Buch für Betroffene, Angehörige und Interessierte gleichermaßen, das Mut und Hoffnung macht und vielleicht auch dabei hilft, Menschen mit psychischen Erkrankungen besser zu verstehen.



„Die Stimmen können nicht real sein, aber sie sind sehr gut darin, dich das vergessen zu lassen."
pos. 1612


Ein Buch, das tief beeindruckt und sehr wichtig ist, denn es spricht ein Thema an, das nach wie vor oft "totgeschwiegen" wird. Leider habe ich mich etwa das erste Drittel des Buches ziemlich durchquälen müssen, danach konnte ich es allerdings nicht mehr aus der Hand legen! Es lohnt sich auf jeden Fall, durchzuhalten, denn nach der anfänglichen Verwirrtheit kommt das allmähliche Begreifen und Erkennen.
Dieses Buch ist echt.
Es tut weh.
Es ist faszinierend.
Und zerstörend.
Und es lässt einen nicht mehr los. Es zieht einen hinab zum Grund des Meeres, nimmt einen wieder mit hinauf, um einen dann erneut in die Abwärtsspirale rutschen zu lassen. 




„Nichts macht mehr Angst, als nie zu wissen, was du im nächsten Moment glauben wirst."
pos. 2063




Fazit


Ein echtes, ehrliches und authentisches Buch, das weh tut. Etwa das erste Drittel ist sehr verwirrend und manchmal beinahe quälend, weil alles völlig konfus ist, aber danach wird alles klarer und nach und nach ergibt alles einen Sinn. Auf jeden Fall durchhalten, denn dann entwickelt sich das Buch zu einem Meisterwerk, dessen Anfang man eben erst im Nachhinein nachvollziehen und verstehen kann. 



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