*Werbung / Rezensionsexemplar: Das Buch wurde mir kosten- und bedingungslos von C. Bertelsmann Randomhouse zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Über das Buch
Titel: Der Funke des Lebens | Originaltitel: A Spark of Light | Autor: Jodi Picoult | Übersetzer: Elfriede Peschel | Verlag: C. Bertelsmann |
Preis: 20,00€ | Genre: Roman | Format: Gebunden | Seitenanzahl: 429 |
ISBN: 978-3-570-10400-2 | Original Erscheinungsdatum: 2018 | Deutsches Erscheinungsdatum: 2020 |
An einem warmen Herbsttag wird Polizeiunterhändler Hugh McElroy zu einer Frauenklinik in Jackson, Mississippi, gerufen. Ein verzweifelter Schütze war in die Klinik eingedrungen, hatte um sich geschossen und Geiseln genommen. Als McElroy mit dem Täter verhandeln will, erreicht ihn eine schockierende Nachricht: Seine 15-jährige Tochter Wren befindet sich in der Klinik. McElroy setzt alles daran, Wren und die anderen Geiseln zu befreien - Frauen in Not, engagierte Ärzte und Krankenschwestern, bedroht von einem Mann, der Amok läuft, um sich Gehör zu verschaffen.
Erster Satz
"Wie eine alte Bulldogge, die es gewohnt war, ihr Territorium zu bewachen, hockte das Center an der Ecke Juniper und Monfort Street hinter einem schmiedeeisernen Zaun."
Autor
"Jodi Picoult, geboren 1966 in New York, studierte in Princeton und Harvard. Sie schrieb bisher 26 Romane, die vielfach ausgezeichnet wurden. Weltweit hat sie eine riesige Fangemeinde. Sie lebt mit ihrem Mann und zahlreichen Tieren in Hanover, New Hampshire. Der Funke des Lebens stand wochenlang an der Spitze der amerikanischen Bestsellerlisten."
Cover und Titel
Das matte, dunkelblaue Cover zeigt Lichtpunkte und etwas, das ein bisschen aussieht, wie eine brennende Wunderkerze. Der Name der Autorin ist glänzend-gelben Buchstaben geschrieben und sticht dadurch besonders hervor. Cover und Titel passen gut zum Inhalt des Buches.
Meine Meinung
In einer Abtreibungsklinik in Jackson, Mississippi eröffnet George das Feuer, tötet und verletzt Menschen und nimmt Geiseln. Hugh McElroy, ein Polizeiunterhändler, versucht mit ihm zu verhandeln, als ihn die erschreckende Nachricht erreicht, dass seine 15-jährige Tochter und seine Schwester in der Klinik sind.
„Als Hugh die ersten Schritte auf die Eingangstür der Klinik zu machte, dachte er an den Tag, an dem Wren geboren wurde. Er und Annabelle hatten sich zu Hause einen Harry-Potter-Marathon angesehen, als ihre Wehen einsetzten. Sie folgten immer dichter aufeinander, aber Annabelle weigerte sich aufzubrechen, bevor sie Die Kammer des Schreckens zu Ende gesehen hatten. Ihre Fruchtblase platzte während des Abspanns."
S. 57
Der Schreibstil der Autorin ist wie gewohnt flüssig und leicht zu lesen. Die Handlung beginnt in der Gegenwart um 17 Uhr, als die Tat bereits geschehen ist und von da an läuft die Uhr rückwärts und man erfährt so nach und nach, was in der Vergangenheit geschehen ist und was dazu geführt hat, dass George zum Täter wurde oder warum Wren, Bex, Joy, Izzy, Janine, Olive oder Dr. Ward in der Klinik waren. Durch diese achronologische Erzählweise bleibt die Spannung immer auf einem soliden Niveau und man erfährt immer etwas Neues, was einem einen anderen Blickwinkel ermöglicht und alles in einem anderen Licht erscheinen lässt.
„Sie schufen ein Stigma: Gute Frauen wollen Mütter sein, schlechte Frauen nicht. Würden Männer schwanger werden, pflegte Vonita, Gott sei ihrer Seele gnädig, zu sagen, wäre die Abtreibung wahrscheinlich ein Sakrament, das man in der Super-Bowl-Halbzeitshow zelebrieren würde. Man würde die Männer, die Schwangerschaften abgebrochen hatten, in der Kirche bitten aufzustehen, um ihnen Beifall für den Mut zu einer solchen Entscheidung zu spenden. Beim Kauf von Viagra bekäme man einen Coupon für drei Abtreibungen gratis dazu."
S. 253
Es wäre kein Buch von Jodi Picoult, wenn es einfach wäre, oder man es in schwarz & weiß oder richtig & falsch einteilen könnte. So läuft es bei ihr nie und so ist es auch hier. Statt aus dem Schützen einen simplen Bösewicht zu machen, den man hassen kann, ist er ein Mann, ein Vater, der sich Gehör verschaffen will, der keinen anderen Weg zu sehen scheint als diesen. Picoult schafft es wieder einmal, ein äußerst schwieriges Thema - in diesem Fall die Abtreibungsdebatte - anhand von vielen Einzelschicksalen aufzuzeigen, ohne dabei zu belehren oder mit dem erhobenen Zeigefinger daherzukommen. Sie hat sicherlich ihre eigene Meinung zu dem Thema, zwingt diese dem Leser aber nicht auf, sondern überlässt es jedem selbst, sich einen eigenen Standpunkt zu bilden. Durch die verschiedenen Charaktere und ihre Entscheidungen und Hintergründe sieht man, wie unterschiedlich die Ansichten sein können und man fühlt sie alle mit, anstatt nur darüber zu lesen. Die Autorin hat ein außerordentliches Gespür dafür, einem auch die Gedanken und Gefühle näherzubringen, von denen man dachte, dass man sie eigentlich nicht nachvollziehen kann - was sie für mich zu einer der besten Autorinnen unserer Zeit macht und zu einer meiner Lieblingsautoren schlechthin.
„Das bedeutet es, Mensch zu sein. Wir sind alle nur Leinwände für unsere Narben."
S. 122
Die Charaktere sind - wie für Jodi Picoult üblich - sehr detailliert ausgearbeitet und haben alle viel Tiefe. Es geht um die 15-jährige Wren, die es von allen wohl am wenigsten "verdient" hat, sich in dieser Tragödie wiederzufinden; um ihren Vater Hugh McElroy, der alle polizeilichen Grundsätze ignoriert, um seine Tochter zu schützen; um George, der Rache, aber vor allem auch jemanden will, der ihm zuhört; um Pro-Life-Aktivisten, die für ihre Überzeugungen kämpfen; um einen Abtreibungsarzt, dessen Arbeit nicht nur Arbeit ist, sondern der Versuch, Frauen in Not zu helfen, die keinen anderen Ausweg wissen; um ebendiese Frauen, die Hilfe benötigen; um ein Mädchen, das des Mordes angeklagt wird, weil niemand ihr helfen wollte und sie nicht wusste, dass eine eigene, medikamentöse Abtreibung illegal ist; um eine Frau, deren einziges Anliegen eine Vorsorgeuntersuchung war - und sie alle treffen an diesem Tag, der ihr Leben für immer veränder wird, aufeinander.
„Vielleicht sollte man nicht fragen Wann wird ein Fötus zu einer Person?, sondern: Wann hört eine Frau auf, eine zu sein?"
S. 363
Dadurch, dass jeder dieser Charaktere Ecken und Kanten hat und einfach menschlich ist, kann man sich gut in sie hineinfühlen, mit ihnen mitfiebern, sich sorgen und von ihnen und ihren Überzeugungen einwickeln lassen. Wie immer, wenn man ein Buch von Jodi Picoult liest, kommt man ins Grübeln und denkt über seine eigene Meinung nach - ist mein Standpunkt wirklich der richtige? Der einzige? Gibt es nicht vielleicht auch noch andere Betrachtungsweisen, die ihre Daseinsberechtigung haben? In diesem Fall hat das Buch meine Meinung letztlich nicht verändert, aber es hat zumindest dafür gesorgt, dass ich die andere Seite ein kleines bisschen besser verstehe, auch wenn ich es immer noch nicht richtig finde, wie sie sich verhalten.
„Man schaut nicht auf den Teller des anderen, um zu sehen, ob dieser mehr hat als man selbst. Man vergewissert sich, ob er genug hat."
S. 158
Dieses Buch ist nicht nur spannend zu lesen, sondern auch hochaktuell. Man sollte meinen, dass im Jahr 2020 das Thema Abtreibungen zu genüge durchdiskutiert wurde, aber es gibt immer wieder Angriffe auf das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Anschläge auf Frauenkliniken, Verschärfung von Gesetzen, Attentate auf "Abtreibungsärzte" - beim Lesen des Buches ist mir wieder einmal klar geworden, wie glücklich wir uns schätzen können, in Deutschland zu leben. Hier ist längst nicht alles gut und auch beim Thema Abtreibungen gibt es noch sehr vieles, was man verbessern kann, aber im Vergleich zu anderen Ländern haben wir einen großen Vorsprung. Dass aber auch hier hitzige Debatten zu dem Thema geführt werden hat man zuletzt beim Streit um den "Abtreibungsparagraphen" 219a gesehen, der die "Werbung" für Schwangerschaftsabbrüche verbietet. Ein Thema also, das bis zum heutigen Tage brisant und aktuell ist und längst nicht an Gültigkeit verloren hat. Der Funke des Lebens bringt etwas Menschlichkeit in die Debatte und zeigt die verschiedenen Standpunkte auf, ohne belehrend zu werden
„Denken Sie etwa, ich wollte das? Denken Sie, man wacht auf und sagt sich: Heute Morgen werde ich eine Abtreibung vornehmen lassen? Das ist der letzte Ausweg. Das ist der Ort, wohin man geht, nachdem man alle Szenarien durchgegangen ist und einem klar wird, dass die einzigen Menschen, die behaupten, es gebe einen anderen Weg, diejenigen sind, die keinen positiven Schwangerschaftstest in der Hand halten. Ich habe es getan. Ich bedauere es nicht. Aber das bedeutet nicht, dass ich nicht jeden Tag meines Lebens daran denken werde."
S. 176
Fazit
Ein typisches Jodi-Picoult-Buch, das einen emotional unglaublich mitnimmt, spannend von Anfang bis zum Schluss ist und ein hochaktuelles Thema behandelt.