*Werbung / Rezensionsexemplar: Das Buch wurde mir kosten- und bedingungslos von Heyne zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Über das Buch
Titel: Fairy Tale | Originaltitel: Fairy Tale | Autor: Stephen King | Übersetzer: Bernhard Kleinschmidt | Verlag: Heyne |
Preis: 28,00€ | Genre: Fantasy, Märchen | Format: Gebunden | Seitenanzahl: 880 |
ISBN: 978-3-453-27399-3 | Original Erscheinungsdatum: 2022 |
Erster Satz
"Ich bin mir sicher, dass ich diese Geschichte erzählen kann."
Autor
"Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Bislang haben sich seine Bücher weltweit über 400 Millionen Mal in mehr als 50 Sprachen verkauft. Für sein Werk bekam er zahlreiche Preise, darunter 2003 den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn zudem mit der National Medal of Arts. 2018 erhielt er den PEN America Literary Service Award für sein Wirken, gegen jedwede Art von Unterdrückung aufzubegehren und die hohen Werte der Humanität zu verteidigen. Seine Werke erscheinen im Heyne-Verlag, zuletzt der Spiegel-Bestseller Billy Summers (Platz eins auf der Bestsellerliste).
Cover und Titel
Das Cover gefällt mir prinzipiell sehr gut, es ist auf der einen Seite märchenhaft, auf der anderen Seite aber durchaus auch creepy. Man sieht ein Gesicht, die goldene Silhouette eines Schlosses - es sitzt wie eine Krone auf dem Kopf, tiefschwarze Grillen, einen Schmetterling, Wolken, die den Mund verdecken ... Allerdings bin ich auch etwas irritiert, weil es sich um einen Frauenkopf handelt - der Protagonist aber ein Teenager-Junge ist. Alles in allem finde ich es jedoch gut gelungen und es passt gut zum Inhalt, ebenso wie der Titel.
Meine Meinung
„Die Zeit ist wie Wasser, Charlie. Das Leben ist nur eine Brücke, unter der sie hindurchströmt."
S. 193
S. 193
Der Schreibstil ist gewohnt Stephen-King-like. Sehr schön geschrieben, eine bildhafte Sprache, die die Welt von Charlie Reade vor dem inneren Auge entstehen lässt - und sehr viele Details. Man findet einfach in die Geschichte rein und leidet erst einmal mit dem jungen Charlie mit, der kein einfaches Los gezogen hat.
„In dunklen Zeiten strahlen die guten Menschen noch heller."
S. 379
S. 379
Die Charaktere sind vielseitig, wobei mir Charlie manchmal etwas zu "perfekt" erschien. Er ist erst 17 Jahre alt, pflegt aber einen alten, störrischen Mann als hätte er nie etwas anderes getan und kann sich gefühlt quasi alles mit einem kleinen YouTube-Tutorial aneignen. Er ist nicht einfach nur verantwortungsbewusst, er gibt sich seinen Aufgaben vollkommen hin, mehr noch: er gibt sein Leben quasi auf, um einem alten Mann zu helfen, den er gar nicht kennt - und sein Vater lässt es (wenn auch etwas widerwillig) zu. Kein Sport mehr für Charlie - auch wenn er großen Spaß daran hatte -, keine Zeit mehr für seinen Vater, keine Zeit mehr für Freunde oder Hobbies und zur Schule geht er dann irgendwann auch eher widerwillig - weil er jetzt ja Altenpfleger ist. Das ist mir ehrlich gesagt etwas zu weit hergeholt. Ich kenne kein Elternteil (dem am eigenen Kind auch etwas liegt), der das zulassen würde. Helfen wo man kann, andere Hilfe besorgen etc. - ja, auf jeden Fall! Aber in diesem Ausmaß?
[SPOILER]
Und dann trifft Charlie eine Entscheidung: Er will seinen altersschwachen Hund retten. Nachvollziehbarer Wunsch, keine Frage. Aber er setzt dafür sein Leben aufs Spiel - und auch das seines Vaters. Er weiß nicht, wie lange er weg sein wird - oder ob er er überhaupt zurückkehren wird. Er weiß, was passieren könnte, wenn sein Vater bemerkt, dass sein Sohn spurlos verschwunden ist (und in diesem Fall könnte man ihm ja auch kaum einen Vorwurf machen, wenn er rückfällig werden würde - Frau tot, Sohn verschwunden und womöglich auch tot). Trotzdem nimmt er es billigend in Kauf. Er geht nicht in die Anderwelt, um das Volk dort zu retten. Nein, es geht nur um einen Hund, der ein sehr langes und glückliches Leben hatte und den er erst seit wenigen Monaten kennt. Irgendwie erscheint mir das sehr egoistisch und steht auch in extremem Kontrast zu dem verantwortungsbewussten Teenager, den wir davor kennengelernt haben.
Ein weiterer Punkt, der mich extrem gestört hat, waren die Beschreibungen von einigen Charakteren in der Anderwelt. Ich würde nicht so weit gehen, und Stephen King absichtlichen Ableismus vorzuwerfen, aber ich fühlte mich beim Lesen sehr oft sehr, sehr unwohl. Die Menschen leiden unter einem Fluch, sie werden grau, deformiert und sterben. Diejenigen mit entfernt royalem Blut werden nicht grau, die direkten Mitglieder der Königsfamilie verloren ihre Sinne - jeder einen. Das Volk der Anderwelt ist komplett passiv, sie haben sich ihrem Schicksal ergeben und brauchen einen Retter - der dann dank Charlie auch kommt. Ein großer, weißer, sportlicher Kerl eilt zur Rettung der behinderten Menschen, muss aber erst blond und blauäugig werden, um helfen zu können. Ähm, what? Wieso denn das? Weil er ein Prinz ist? Ernsthaft? Und alle paar Seiten muss betont werden, wie sehr Charlie die armen, behinderten Menschen bemitleidet. Dann ist da noch die Szene, in der Charlie über den kleinwüchsigen Bösewicht redet: er erzählt, dass sein Vater ihm erklärt hätte, dass man diese Menschen nicht Zw*** oder Lil******** nennen soll, weil das diskriminierend sei - ja dann schreib es halt einfach nicht hin! Stattdessen stehen beide Worte ausgeschrieben dort - es hätte nichts gefehlt, wenn man das einfach weggelassen hätte.
[SPOILER ENDE]
„Ich glaube, alle Welten sind magisch. Wir gewöhnen uns einfach nur daran."
S. 739
S. 739
Nach den ersten paar Kapiteln hatte ich dann so meine Probleme mit dem Buch. Es kam einfach nicht richtig voran. Über 200 Seiten geht es quasi allein darum, wie Charlie Mr. Bowditch pflegt. Dann geht es 100 Seiten darum, wie sehr Radar, die Hündin, leiden muss und wie schwer es Charlie fällt, das mitanzusehen. Erst als Charlie und Radar in die Anderwelt gehen, nimmt die Story etwas mehr an Fahrt auf, auch wenn es dort wieder 200 Seiten nur um Radars Rettung geht. Hier gab es zwischendurch trotzdem tolle Sachen zu entdecken - die Menschen, die Charlie auf seinem Weg kennenlernt, die verschiedenen Tiere, einfach diese märchenhafte und doch so trostlose Welt. Trotzdem hat es sich hier nochmal etwas gezogen. So richtig Spaß gemacht hat mir das Buch erst dann, als die Story eine Wendung nimmt und die bisher nur unterschwellig vorhandene Gefahr immer präsenter wird. Ab da bin ich durch die Seiten geflogen, habe den Atem angehalten, gehofft und gezittert, geweint und gebangt - ab da war ich vollkommen gebannt.
Alles in allem hatte ich große Schwierigkeiten mit diesem Buch - die Langatmigkeit, der immer wieder aufkeimende Ableismus, manche Charakterzeichnung - gleichzeitig hat mich das letzte Drittel des Buches dann wirklich richtig gefesselt und ich war begeistert von Kings Worldbuilding.
Fazit
Ich tute mir wirklich schwer damit, dieses Buch zu bewerten. Die ersten beiden Drittel waren mir viel zu langatmig und ich konnte die Handlungen von Charlie oft nicht richtig nachvollziehen. Außerdem kam es mir so vor, als wäre Stephen King hier einigen ableistischen Stereotypen verfallen (wenn auch vermutlich unbewusst), da ich allerdings nicht selbst betroffen bin, kann ich nicht richtig beurteilen, ob es auch wirklich so ist oder es mir nur so vorkam - mir fielen diese Situationen beim Lesen jedenfalls sehr, sehr schwer. Das letzte Drittel hat mir dann aber wieder gezeigt, dass King wirklich schreiben kann, denn er hat eine komplexe und faszinierende Welt erschaffen, die mir (bis auf vorige Anmerkungen) sehr gut gefallen hat. Ich gebe 2,5 Sterne, sehr großzügig aufgerundet auf 3.
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