*Werbung / Rezensionsexemplar: Das Buch wurde mir kostenlos von NetGalley und Rowohlt zur Verfügung gestellt im Gegenzug für eine ehrliche, unbeeinflusste Rezension. Vielen Dank! Über das Buch
Titel: Keine gute Geschichte | Autorin: Lisa Roy | Verlag: Rowohlt |
Preis: 7,99€ | Genre: Gesellschaftsroman | Format: eBook | Seitenanzahl: 240 |
ISBN: 978-3-498-00345-6 | Original Erscheinungsdatum: 2023 |
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Arielle Freytag, Anfang dreißig, hat es eigentlich geschafft: Aufgewachsen im Essener Stadtteil Katernberg, verdient sie als Social-Media-Managerin in Düsseldorf mittlerweile viel Geld. Bis eine Depression sie aus der Bahn wirft und für eine Weile in die «Klapse» bringt. Kaum wieder zu Hause, erreicht Arielle ein Anruf aus Katernberg, und zum ersten Mal nach zwölf Jahren kehrt sie an den Ort ihrer Jugend zurück. Dort werden seit ein paar Tagen zwei Mädchen vermisst – was Arielle mit Wucht an ihre Mutter erinnert, die vor vierundzwanzig Jahren spurlos verschwand. Damals blieb Arielle allein bei ihrer eigenwilligen Großmutter zurück. Wer ihr Vater ist, weiß sie nicht, auch ihr dunkles, lockiges Haar und die Hautfarbe sind nur ein vager Hinweis: italienisch, türkisch, kroatisch? Während in Katernberg fieberhaft nach den Mädchen gesucht wird, stellt Arielle sich den schmerzhaften Fragen, auf die sie immer dringender Antworten braucht. Hat ihre Mutter sie verlassen, oder ging sie nicht freiwillig? Erster Satz
"Das ist keine gute Geschichte."
Autorin
"Lisa Roy wurde 1990 in Leipzig geboren und wuchs im Ruhrgebiet auf. Sie studierte in Dortmund und Köln und veröffentlichte in verschiedenen Literaturzeitschriften und Anthologien. Für die Arbeit an ihrem ersten Roman Keine gute Geschichte erhielt sie 2021 das Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium der Stadt Köln und den GWK-Förderpreis Literatur. Lisa Roy lebt mit ihrer Familie in Köln."
Meine Meinung
Arielle Freytag ist Anfang 30, Social-Media-Managerin mit gutem Einkommen und glamourösem Leben - wären da nicht ihre Depressionen und ihre Kindheit, die sie immer wieder belasten. Nachdem sie aus der Klinik entlassen wurde, geht sie zurück in ihre Heimat, zu ihrer Großmutter, der es immer schlechter geht. Die beiden kamen nie sonderlich gut miteinander aus, Arielle, die von ihrer Großmutter großgezogen wurde, nachdem ihre Mutter spurlos verschwand, hat sich nie geliebt gefühlt. Gleichzeitig verschwinden zwei Mädchen aus dem Kiez und Arielle fühlt sich an ihre eigene Mutter erinnert. Was ist mit ihr geschehen? Ging sie freiwillig, ist sie einfach abgehauen und hat sie zurückgelassen? Oder ist ihr etwas zugestoßen?
„Wir sind ein total reiches Land voller depressiver Menschen."
pos. 1437
Dieses Buch hat ganz schön viele schwere Themen - wortwörtlich schwerwiegende Kost. Umso mehr frage ich mich, warum zur Hölle nirgends eine Triggerwarnung / eine Content Note zu finden ist? Das wäre hier wirklich mehr als angebracht gewesen ... Wir lesen von Depressionen, Kindesentführung, Kindesmissbrauch, sexuellem Missbrauch, Vergewaltigung, sexueller Gewalt, Rassismus, Selbstmord, Drogenmissbrauch, Alkoholismus, Essstörung und vielem mehr.
Die Geschichte ist aus der Ich-Perspektive von Arielle erzählt. Das fiel mir ziemlich schwer, weil ich mit Arielle einfach nicht warm wurde. Sie ist mir viel zu egoistisch, unglaublich empathielos, zynisch, unfreundlich, überheblich und geradezu kalt. Ich kann mich einfach nicht in eine Person einfühlen, die den Vater eines der verschwundenen Mädchens angräbt und sein "Nein" nicht akzeptiert und antwortet: "Es ist nie zu beschissen für S*x.". Sie empfindet keinerlei Mitgefühl und glaubt scheinbar, dass nur sie selbst das Recht hat, zu leiden. Die Erzählweise ist zudem ziemlich vulgär, was einerseits auf jeden Fall eine Besonderheit des Buches ist, aber mir gleichzeitig auch schwer fiel zu lesen. Die Charaktere sind allesamt stark überzeichnet dargestellt und dementsprechend auch sehr klischeehaft, eindimensional und oberflächlich. Die - durchaus wichtigen - Themen werden dadurch auch irgendwie etwas karikiert und finden nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient hätten. Da auch noch so viele unterschiedliche aufeinander treffen - und dann noch in Kombination mit der unzugänglichen Protagonistin - bleiben viele Themen emotional unzugänglich, blass und zu schnell abgehandelt. Ich fand es auch problematisch, dass Arielles Verhalten irgendwie auf ihre psychische Erkrankung zurückgeführt wird - Depressionen machen einen im Normalfall aber nicht zu einem empathielosen Vollidioten. Und anstatt ihre Vergangenheit vernünftig aufzuarbeiten und ihr Verhalten zu überdenken, macht sie einfach so weiter und sucht bei allen anderen die Schuld, außer bei sich selbst.
Das Ende ist dann sehr offen, was für mich in diesem Fall unvollendet wirkt. Es bleiben einfach zu viele Fragen offen und die Art und Weise, wie alles zusammenhängt, fand ich etwas an den Haaren herbeigezogen. Ich meine: Wieso? Weshalb? Warum? Und ein ganz großes: WHAT THE FUCK? Am Ende des Romans saß ich sehr lange einfach nur da und habe mich gefragt, was zur Hölle ich da jetzt eigentlich gelesen habe...
„Man hat Verantwortung sich selbst gegenüber, und dazu gehört auch, Geschenke anzunehmen und nicht alles Gesunde von sich zu stoßen."
pos. 2711
Fazit
Ein Melodram mit unglaublich vielen wichtigen, schweren Themen, denen aber allesamt nicht genügend Raum gegeben wird. Dadurch wirkt der Roman sehr überfrachtet und reichlich dick aufgetragen. Mit der Protagonistin konnte ich mich überhaupt nicht anfreunden, da sie äußerst egoistisch und unfreundlich ist. Etwas weniger "hauptsache es schockt" hätte dem Roman gut getan, dann hätte man sich auf ein paar wichtige Themen konzentrieren können anstatt alle nur oberflächlich abzuhandeln. Für mich war "Keine gute Geschichte" leider wirklich keine gute Geschichte.