Mittwoch, 2. März 2022

[Books] Jasmina Kuhnke - Schwarzes Herz

 



*Werbung / Rezensionsexemplar: Das Buch wurde mir kosten- und bedingungslos von Rowohlt zur Verfügung gestellt. Vielen Dank! 


Über das Buch


Titel: Schwarzes Herz Autor: Jasmina Kuhnke Verlag: Rowohlt 
Preis: 20,00€ Genre: Autobiographie Format: Gebunden Seitenanzahl: 208 
ISBN: 978-3-498-00254-1 Original Erscheinungsdatum: 2021 

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Ähnliche Bücher: Wir können mehr sein (Aminata Touré); Queenie (Candice Carty-Williams); Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten (Alice Hasters)

Jasmina Kuhnke ist eine unüberhörbare Stimme im Kampf gegen Rassismus in diesem Land. In ihrem ersten Roman erzählt sie davon, was es mit einem macht, immer aufzufallen. Die Protagonistin ihres Buches, eine Schwarze Ich-Erzählerin, wächst am Rande des Ruhrgebiets auf, in den neunziger Jahren. Zu Hause wütet ein gewalttätiger Stiefvater, in der Schule gibt es wenig Unterstützung, dafür viel Ausgrenzung. auf einem Kindergeburtstag steht bei einem Klingelstreich plötzlich ein Neonazi in der Tür. Die Protagonistin weiß, wie es ist, jeden Tag mit dem Schlimmsten zu rechen, bis das Schlimmste zur Selbstverständlichkeit wird. Wo sich für andere Türen öffnen, schließen sie sich für die Ich-Erzählerin mehr und mehr, bis sie selbst davon überzeugt ist, dass sie der Welt nichts zu bieten hat. Sie gerät in eine gewalttätige Beziehung, zementiert die Abhängigkeit mit zwei Schwangerschaften. Erst als es schon fast zu spät ist, gelingt es ihr, sich und die Kinder zu befreien. Kuhnkes Buch zeigt, wie Rassismus sich in die Seelen der betroffenen Menschen webt. Es wird niemanden so schnell loslassen, denn es tut weh.
         
Erster Satz

"Er hat mich gefickt."


Autorin


"Jasmina Kuhnke wurde 1982 in Hagen geboren. Sie arbeitet als TV-Autorin und Kolumnistin für ein Satiremagazin. Jasmina lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in Köln. Sie engagiert sich in der Öffentlichkeit unter ihrem Künstlernamen Quattromilf - Mama I´d like to follow - gegen Rassismus und Diskriminierung."



Cover und Titel


Das Cover zeigt die Zeichnung einer Schwarzen Frau, die sich mit Edding ein schwarzes Herz auf den Bauch malt. Es wirkt zugleich stimmig und sehr bedrückend. Sowohl Cover als auch Titel passen hervorragend zum Inhalt des Buches.


Meine Meinung


Aufgewachsen am Rande des Ruhgebietes bei einer alleinerziehenden Mutter, später mit einem gewalttätigen Stiefvater und in der Schule konfrontiert mit Mobbing und Rassismus, hat die Schwarze Ich-Erzählerin kein leichtes Leben. Als dann auch noch eine schwere Krankheit und eine gewalttätige Beziehung dazukommt, scheint sie nichts mehr an ihrem Leben ändern zu können und kapituliert - bis sie erkennt, dass ihre beiden Kinder ebenfalls in Gefahr schweben.


„Mit dem unschuldigen Herzen, das nur kleine Kinder besitzen, akzeptierte ich ihn  nicht nur, ich liebte ihn. So wie ein Kind seinen Vater eben liebt. Kinder lieben ihre Eltern bedingungslos. Sehr lange, so lange, bis sie eben doch begreifen, dass etwas nicht stimmt. Und oft lieben sie sie trotzdem noch weiter, auch wenn die Liebe gar nicht erwidert wird. Egal unter welchen Umständen."
S. 33


Der schnörkellose Schreibstil der Autorin ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, die Sprache sehr derb und schonungslos - was auch Sinn macht und dem Buch eine einzigartige Note gibt, aber ich musste mich eben erst daran gewöhnen. Auch die zahlreichen Zeitsprünge, die nicht gekennzeichnet sind, haben mir etwas zu schaffen gemacht. Mal befinden wir uns in der Gegenwart und wenige Sätze später in der Vergangenheit, dann wieder irgendwo anders - das ist stellenweise etwas verwirrend. Die Protagonistin ist eine erwachsene Frau, dann eine Jugendliche, dann wieder erwachsen und plötzlich ein Kind. 

„Wann und wo bin ich verlorengegangen?"
S. 166


Rassismus, Gewalt, Missbrauch, Mobbing, Frauenrechte, Krankheit - jedes einzelne Thema in diesem Buch ist wichtig und muss viel mehr ins Rampenlicht gerückt werden. In "Schwarzes Herz" geht es um all das gleichzeitig - und das ist manchmal schwer zu ertragen. Denn der Protagonistin passiert so vieles, es schmerzt einen in der Seele, zu lesen, was Menschen einander antun können und was manche ertragen müssen, um zu überleben. 

Aber auch hier hatte ich manchmal das Gefühl, dass die Geschichte etwas unstrukturiert erzählt wird: Es geht um die häusliche Gewalt in ihrer Beziehung, dann plötzlich erzählt sie, wie sie in der Schule gemobbt wurde, dann von ihrer großen Leidenschaft - dem Laufen - und dann sind wir wieder bei einem ganz anderen Thema. Das war für mich hin und wieder etwas zu sprunghaft und schwer nachzuvollziehen. Nichtsdestotrotz ist dieses Buch unglaublich wichtig und zeigt, wie viel Schmerz Rassismus in einer Seele hinterlässt - Wunden, die niemals wirklich heilen. 


„Ich habe mir nicht helfen lassen, und so konnte mir niemand helfen."
S. 202


Ein Buch, das einen trotz seiner Schwächen mitnimmt und fesselt. Die Autorin lehrt die Leser*innen, besser auf andere Menschen, die eigene Umgebung, aber auch auf sich selbst zu achten und erzählt die Geschichte einer Frau, die allen Widrigkeiten zum Trotz ihren eigenen Weg und sich selbst gefunden hat.


Fazit


Die Zeitsprünge fand ich etwas verwirrend, aber insgesamt eine absolute Leseempfehlung. Ein Buch, das zeigt, welchen Schmerz Rassismus wirklich anrichtet. 



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